Freitag, 7. November 2014

Schreibversehen in einer Anklage

- alles nicht so schlimm

Von Umgrenzungsfunktionen und Verfahrenshindernissen


Eine Anklageschrift muss so verfasst sein, dass der Angeklagte weiß, was ihm vorgeworfen wird. Dazu gehört auch der ihm vorgeworfene Tatzeitpunkt oder Tatzeitraum. Nur so kann er sich gegen den Strafrvorwurf sachgerecht verteidigen. Ist dies nicht der Fall, so liegt keine ordnungsgemäße Anklageschrift nach § 200 StPO vor; es besteht ein Verfahrenshinderniss.

Neulich ist mir doch in einer Schmuddelbildersache eine Anklage untergekommen, da hat sich die Staatsanwaltschaft wirklich nicht mit Ruhm bekleckert!

Mein Mandant ist nach durchgeführter Wohnungsdurchsuchung angeklagt sich auf mindestens drei verschiedenen Bezugswegen Schmuddelbilder verschafft und diese besessen zu haben. Angeklagt wurden insgesamt mindestens 4 Taten, was in der Anklage mit § 53 StGB (Tatmehrheit) auch ausdrücklich so festgeschrieben wird. Tatzeiten oder Zeiträume der einzelnen Taten des Sichverschaffens wurden nicht angegeben. Nur der Tag des Besitzes = Tag der Wohnungsdurchsuchung war eindeutig bestimmt. In der Anklageschrift wurde für die zeitliche Eingrenzung der Taten dann angegeben: Tag der Durchsuchung und davor, also von Geburt des Angeklagten bis zum Zeitpunkt der Hausdurchsuchung. Das man sich mit einer solchen Tatzeitangabe nicht sachgerecht verteidigen kann liegt auf der Hand.

In der Hauptverhandlung beantrage ich Einstellung des Verfahrens wegen des Verfahrenshindernisses einer fehlerhaften Anklageschrift. Ich trage vor, die Zeitpunkte oder Zeiträume der Taten seien nicht konkret angegeben und im Falle einer weiteren Anklage eines solchen Delikts könne mit der vorliegenden Anklageschrift ein Strafklageverbrauch nicht beurteilt werden. Das Gericht setzt aus und gibt der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Stellungnahme.

Dann die Stellungnahme der objektivsten Behörde der Welt, hier der Staatsanwaltschaft Hannover, bei deren Lektüre ich nur mit dem Kopf schütteln konnte:

Die in der Anklageschrift auftauchenden Taten des dreimaligen Sichverschaffens von Schmuddelbildern und der §53 StGB seien ein bloßes Schreibversehen und die Anklageschrift nicht zu beanstanden, weil dieses Schreibversehen nicht wichtig sei. Der Tag des Besitzes der Schmuddelbilde = Tag der Wohnungsdurchsuchung sei ja eindeutig.

Wenn es auch für die Staatsanwaltschaft keinen Unterschied macht, ob sie eine Anklage wegen nur einer Tat oder wegen vier Taten verfasst, für meinen Mandanten macht dies sehr wohl - vor allem im Strafmaß - einen Unterschied.

Dann aber doch der korrigierende Beschluss des Gerichts:
Es besteht ein Verfahrenshinderniss, weil die Anklage ihrer gesetzlich vorgeschriebenen Unmgrenzungsfunktion nicht genügt. Eine Anklage muss so abgefasst sein, dass der Angeklagte weiß, welches Verhalten zu Anklge gebracht und abgeurteilt wird. Nur so kann bei einem möglichen Verdacht einer erneuten Straffälligkeit beurteilt werden, ob die Tat bereits abgeurteilt worden ist.

Sag ich´s doch!