Steht das Urteil schon am Anfang fest ?
Verteidiger "überrascht" Richter mit Beweisantrag !
Es ist schön und hilfreich, wenn die Beteiligten eines Strafverfahrens den Inhalt der Ermittlungsakte kennen.
Auch schön wäre es, wenn sie trotz dieser Kenntnis unvoreingenommen und flexibel in der Verfahrensgestaltung blieben. Dies gilt vor allem für das Gericht.
In Salzgitter hatte ich diese Woche hinsichtlich der Flexibilität so meine Zweifel.
Die Angeklagte soll als Putzfrau bei einer älteren Dame 16.500 € aus einer Geldkasette gestohlen haben. Mit Strafbefehl wurde sie zuvor bereits wegen eines Diebstahles von 2.000 € aus dieser Geldkasette (Diebesfalle) verurteilt.
In der Hauptverhandlung wurde die vermeindtlich Geschädigte vernommen; ebenso der Schwiegersohn der Geschädigten und dessen Ehefrau. Zum guten Schluss verlas das Gericht Kontoauszüge des Kontos des Ehemanns der Angeklagten mit größeren unerklärlichen Bareinzahlungen. Die Angeklagte hatte kein eigenes Konto.
Ich beantragte die Vernehmung des Ehemanns der Angeklagten als Zeuge für die Tatsache der Herkunft dieser Bareinzahlungen. Weiter merkte ich an, der Ehemann warte draußen vor dem Gerichtssaal und könne sofort vernommen werden.
Peng! Habe ich da dem Gericht das bereits feststehendes Urteil durcheinandergeschüttelt? Wie sonst kann man sich die Bemerkung des Gerichts erklären (sinngemäß):
Herr Verteidiger, hätten sie den Zeugen nicht vorher benennen können? Ich schätze keine Überraschungen!
Ist es tatsächlich so überraschend, wenn die Angeklagte zu ihrer Verteidigung die Einvernahme von Zeugen benennt, die sie zur Hauptverhandlung gleich mitbringt?
Aus meiner Sicht sollte die Benennung von präsenten Zeugen für das Gericht kein Problem darstellen! Dies gilt erst recht, wenn offensichtlich nur diese Zeugen für einen Entlastungsbeweis in Betracht kommen (wessen Konto war es noch gleich, auf das Bareinzahlungen gingen?).
Nun, sicherlich auch wegen dieser kleinen Überraschung gab es dann einen Freispruch.
(c) RA Kai Hertweck - AG Salzgitte |
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