Freitag, 21. August 2015

21.08.2015
Wenn die Polizei schlampt freuen sich die Angeklagten!

Wie man eine Lichtbildvorlage einem Zeugen zu Ermittlungszwecken tunlichst nicht vorlegen sollte, weil die Lichtbilder für diesen Zweck ungeeignet und dieser Zeuge für das restliche Strafverfahren unbrauchbar ist, zeigt die Entscheidung des LG Magdeburg vom 9.3.2015*.

Ein Täter bedrohte in einem Sonnenstudie die Angestellte mit einer Schere und den Worten "Mach die Kasse auf!". Die Frau hatte daraufhin Angst um ihr Leben, öffnete die Kasse und gab dem Täter 300 €.

Unmittelbar nach der Tat beschrieb die Zeugin den Täter. Anhand ihrer Beschreibung stellte die Polizei eine Wahllichtbildvorlage zusammen. Im Rahmen dieser Wahllichtbildvorlage will die Zeugin den Täter sodann wiedererkannt haben. Es folgte die Anklage der Staatsanwaltschaft zum Landgericht Magdeburg. Dieses lehnte die Eröffnung des Verfahrens aber aus tatsächlichen Gründen ab.

Als Begründung führte es aus, ein hinreichender Tatverdacht liege nicht vor. Die erste Täterbeschreibung der Zeugin weiche von den Merkmalen, anhand derer die Zeugin den Angeklagten anhand der Wahllichtbildvorlage wiederrkannt haben will, erheblich ab. Diese, von der Zeugin beschriebenen Tätermerkmale, seien auf den Lichtbildern der Polizei nämlich gerade nicht zu erkennen.
Weiter bemängelt das Gericht, dass das Foto, welches den Angeklagten zeigt, in seiner Qualität von den übrigen Fotos stark abweicht. Während alle übrigen Fotos Personen mit einer rosafarbenen Gesichtsfarbe zeigten, zeige das Foto den Angeklagten mit einer matten, fahlen Gesichtsfarbe. 
Eine suggestiv Beeinflussung der Zeugin könne nicht ausgeschlossen werden

Eine Wiederholung der Lichtbildvorlage scheide wegen der bereits eingetretenen Beeinflussung der Zeugin aus.

Ab und zu muss ein Verteidiger auch mal Glück haben und aus den Akten erkennen, dass sich die Ermittlungsbehörde selber ins Knie geschossen hat.


* LG Magdeburg, Beschl. v. 9. 3. 2015 - 25 KLs 323 Js 35113/14 (1/15)


RA Kai Hertweck ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er verteidigt in allen strafrechtlichen Deliktsbereichen und vertritt auch Opfer von Straftaten in der Nebenklage und in Adhäsionsverfahren. Zu erreichen ist RA Hertweck in Notfällen von Hausdurchsuchung, Verhaftung o.ä. über den Strafverteidiger-Notruf 0160 / 4365564



 

2 Kommentare:

  1. Für den Verteidiger mag das Glück sein. Es stellt sich natürlich aber, rein hypothetisch in diesem Falle, die Frage ob es moralisch vertretbar ist, dass jemand der einen anderen Menschen mit dem Leben bedroht wegen eines Formfehlers weiterhin frei herumläuft. ;)

    Natürlich heißt das nicht, dass es in diesem Falle so war und selbstverständlich ist der Mandant bestimmt die Unschuld vom Lande gewesen, aber allgemein wäre es schon interessant, wieviele wirkliche Täter aufgrund solcher Fehlleistungen der Behörden freien Fusses herausspazieren aus dem Gerichtssaal.

    Nun ist ein Strafverteidiger nicht unbedint Mutter Theresa, aber ein Geschmäckle hat sowas, finde ich, schon.

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  2. @ Jenny

    Mit Ihrer Einschätzung liegen Sie sicherlich teilweise richtig.
    Wird ein Angeklagter "aus Mangel an Beweisen" oder "in dubio pro reo" freigesprochen oder wird, wie im vorliegenden Fall, das Verfahren vom zuständigen Gericht aus tatsächlichen Gründen nicht zur Hauptverhandlung zugelassen, so besteht immer die Möglichkeit, dass ein Schuldiger nicht bestraft wird und erneut Straftaten begeht.

    Als Verteidiger muss man sich, bevor man seine erste Strafverteidigung führt, die Karten legen und sich fragen: Kann ich es für mich vertreten, dass ich einen Angeklagten, von dem ich sicher weiß oder der mir vielleicht sogar mitgeteilt hat, er hat die angeklagte Tat begangen, so verteidigen, dass er freigesprochen wird.

    Ich habe für mich diese Frage mit "Ja" beantwortet. Ein Beschuldigter und auch ein Angeklagter kann sich in jedem Stadium eines Verfahrens eines Rechtsanwalts zu seiner Verteidigung bedienen. Und wenn man weiß, mit welchen zum Teil fragwürdigen Methoden die Ermittlungsbehörden arbeiten, ist dies auch oft notwendig. Die Zeugen beeinflussende Lichtbildvorlagen wie im vorliegenden Fall sind leider nicht die Ausnahme. Dies geht so weit, dass Beschuldigten angeraten wird das Mandat mit ihrem Rechtsanwalt zu kündigen, weil die Sache vermeintlich "eindeutig sei und es lediglich eine geringe Strafe gäbe".

    Dazu kommt, gerade im Bereich der Sexualdelikte das gesteigerte Interesse der Öffentlichkeit, die Presseberichterstattung und die öffentliche Vorverurteilung. Auch nach einem Freispruch "erster Klasse" bleibt da immer ein "Geschmäckle".

    Das Zitat des Kollegen Strate bringt es eigentlich recht gut auf den Punkt:
    "Die Aufgabe des Strafverteidigers ist es, Vertrauen zu schenken, wo es jeder verweigert; Mitgefühl zu entfalten, wo die Gefühle erstorben sind; Zweifel zu säen, wo sie keiner mehr hat und Hoffnung zu pflanzen, wo sie längst verflogen war."

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