Dienstag, 1. September 2015

"Sie stehen auf meiner Prioritätenliste
nicht an oberster Stelle !"
Wie man es sicher schafft sich nachhaltig den Ruf zu versauen

Heute bekomme ich von einem Gericht ungefragt eine Akte zugesandt. Mit der Akte kam ein Beiordnungsbeschluss - das Gericht hatte mich meinem inhaftierten Mandanten als Pflichtverteidiger beigeordnet. So weit so gut - nichts Ungewöhnliches.

Ich vereinbarte in der Untersuchungshaftanstalt einen Besprechungstermin mit meinem neuen Mandanten und las die Akte zur Vorbereitung durch. Was ich da zu lesen bekam war doch recht erstaunlich:

Aus der Akte konnte ich erfahren, dass der Mandant bereits einige Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte. Aus der Akte ergab sich weiter, dass er mehrfach an das Gericht geschrieben und sich beschwert hatte. Der vor mir tätige Kollege und meinem neuen Mandanten beigeordnete Pflichtverteidiger soll, trotz mehrfacher Bitte, noch nicht in der JVA erschienen sein.
In seinem letzten Schreiben an das Gericht bat mein Mandant um die Entpflichtung des Kollegen und ausdrückliche Beiordnung meiner Person. Diesem Schreiben lag das Schreiben meines Kollegen bei, der meinem (seinem früheren) Mandanten allen Ernstes sinngemäß folgendes geschrieben hatte:

Sehr geehrter Mandant, ich habe derzeit viele Mandate zu bearbeiten. Ich bin daher gezwungen Prioritäten zu setzten. Auf meiner Prioritätenliste stehen Sie leider nicht an oberster Stelle.

Das einem inhaftierten Mandanten, der seinen Verteidiger trotz mehrerer Monate Untersuchungshaft und mehrfacher schriftlicher Bitte noch nie zu Gesicht bekommen hat, eine solche Ansage nicht gefällt, ist leicht verständlich.

Haftmandate sind arbeitsintensiv, ok. Aber gerade der inhaftierte Mandant befindet sich in einer besonderen Situation die von einem Verteidiger verlangt, dass er sich kümmert und alles versucht.

Nach Vorlage dieses "Verteidigerschreibens" war die Abordnung des Kollegen und im Gegenzug meine Beiordnung eine bloße Formsache.

Es gibt leider immer noch Kollegen, für die ist eine Pflichtverteidigung einer Strafverteidigung zweiter Klasse. Leider!

RA Kai Hertweck ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er verteidigt in allen strafrechtlichen Deliktsbereichen und vertritt auch Opfer von Straftaten in der Nebenklage und in Adhäsionsverfahren. Zu erreichen ist RA Hertweck in Notfällen von Hausdurchsuchung, Verhaftung o.ä. über den Strafverteidiger-Notruf 0160 / 4365564

2 Kommentare:

  1. ... dabei sollte man gerade in solchen Fällen -so es die Sachlage erlaubt- versuchen, einen Freispruch zu erzielen, nicht zuletzt der dann höheren Gebühren wegen

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  2. -- wann immer es möglich ist, ist dies mein Ziel !

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