Donnerstag, 10. September 2015

Tierschutz vor menschlichem Gesundheitsschutz
Zum Stellenwert von Körperverletzung vs. Tierschutzgesetz
bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig


Was die Justiz – oder sagen wir mal, der eine oder andere Staatsanwalt – von Opfern und dessen Problemen und Ängsten hält, ist zum Teil bemerkenswert, bisweilen aber auch sehr erschreckend. So ein Schreck ist mir gestern vor dem Landgericht in Braunschweig in die Glieder gefahren.

Ich vertrat eine Nebenklägerin, die von dem Angeklagten verletzt und beleidigt wurde und deren Hund vom Angeklagten getreten worden sein soll. Zwischen dem Angeklagten und einigen Mitbewohnern schwelen bereits seit einigen Jahren Streitigkeiten und es wird ein offener, gegenseitiger Hass kultiviert und gepflegt. Auch wurden bereits mehrere Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und Beleidigung geführt. Alle diese Verfahren wurden aber wegen mangelnden öffentlichen Interesses eingestellt und auf den Privatklageweg verwiesen.

In dieser Sache wurde der Angeklagte durch das Amtsgericht Goslar mit Strafbefehl und auf seinen Einspruch nach durchgeführter Hauptverhandlung dann durch Urteil wegen Körperverletzung, Beleidigung und Verstoß gegen das Tierschutzgesetz zu einer Geldstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte Berufung ein. Gestern wurde dann diese Berufung vor dem Landgericht in Braunschweig verhandelt.

Die Vertretung der Geschädigten in der Nebenklage habe ich erst für den abschließenden zweiten Tag der Berufungshauptverhandlung angetragen bekommen. Vor Beginn der Sitzung unterhalte ich mich deshalb kurz mit der Vorsitzenden und dem Staatsanwalt, um weitere Einzelheiten aus dem ersten Termin zu erfahren. Und was schmettert mir da der Vertreter der Staatsanwaltschaft Braunschweig frank und frei entgegen:

„Heute sitzen wir nur hier, weil es diesmal nicht nur um Körperverletzung und Beleidigung, sondern um ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz geht. Da hat dann das für den Tierschutz zuständige Dezernat mal Anklage erhoben. Das wäre sonst auch wieder eingestellt und auf den Privatklageweg verwiesen worden.“

Aha - habe ich verstanden. Mehrere, zwischen zwei Streithähnen stattfindende, Taten mit Körperverletzungs- und Beleidigungsdelikten sind für die Staatsanwaltschaft nach durchgeführten Ermittlungsverfahren keine Anklage wert. Man kann diese ja einstellen, sollen sich die Geschädigten selber um die Strafverfolgung kümmern. Zeit und Arbeit gespart. Super!
Wenn aber ein Hund getreten wird, dann lohnt sich das, was sich bei der Verletzung und Beleidigung von Menschen nicht lohnt: eine Anklage.

Läuft da vielleicht in der Rechtsgüterabwägung etwas falsch?

Übrigens: Den Verstoß gegen das Tierschutzgesetz sah das Landgericht als nicht erwiesen an. Die Verurteilung wegen Körperverletzung und Beleidigung hat aber gehalten. 

RA Kai Hertweck ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Er verteidigt in allen strafrechtlichen Deliktsbereichen und vertritt auch Opfer von Straftaten in der Nebenklage und in Adhäsionsverfahren. Zu erreichen ist RA Hertweck in Notfällen von Hausdurchsuchung, Verhaftung o.ä. über den Strafverteidiger-Notruf 0160 / 4365564

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