Dienstag, 3. November 2015

03.11.2015
Auf die Finger geklopft

Der krampfhafte Versuch eines Landgerichts, den Gesamtstrafenausspruch zu retten

Richter sind bisweilen eitele Gesellen. In Kollegialgerichten kann sich diese Eitelkeit auch mal potenzieren. 
Das Landgericht Erfurt hatte den Angeklagten wegen diverser Sexualstraftaten zu einer Gesamtstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Dieses erste Urteil hat der 2. Senat des BGH im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben. Im zweiten Urteil des Landgerichts Erfurt hat das Gericht den Angeklagten nunmehr erneut zu einer Gesamtstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.
Das Gericht wollte in seinem zweiten Urteil anscheinend auf Nummer sicher gehen und die erste ausgeurteilte Gesamtstrafe der Höhe nach unbedingt  "durchdrücken".
Es schob daher vermeindlich wichtige Gründe für das Strafmaß des erstinstanzliche Urteils nach:

Darüber hinaus ist zulasten des Angeklagten zu sehen, dass auch ein Jahr nach der Verurteilung durch das Landgericht Erfurt keine Strafaufarbeitung erkennbar ist. Der Angeklagte hat weder die im Vergleich zwischen ihm und den Nebenklägern vereinbarten Zahlungen beglichen, noch hat er sich in ärztliche Betreuung begeben. Um eine Therapie zur Aufarbeitung der sexuellen Probleme hat sich der Angeklagte nicht gekümmert.
Das kann man natürlich machen, Gründe nachschieben. Die neuen Gründe für die ausgeurteilte Gesamtstrafe sollten dann aber nicht an den Haaren herbeigezogen sein.

Die Revision gegen die Gesamtstrafenbildung hat Erfolg.

Die vom Landgericht mitgeteilte Begründung für die neue Gesamtfreiheitsstrafe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. In den Urteilsgründen bleibt unklar, warum vom Fehlen einer Aufarbeitung der abgeurteilten Straftaten auszugehen ist. Die dafür genannten Gründe sind nicht nachvollziehbar.
Nachdem das Landgericht festgestellt hat, dass der Angeklagte Schulden hat und nur Arbeitslosengeld bezieht, liegt die Annahme fern, dass ihm ein Vorwurf daraus zu machen ist, weil er bisher keinen Schadensersatz geleistet hat. Eine Erläuterung seiner abweichenden Bewertung hat das Landgericht im Urteil nicht mitgeteilt.
Der Angeklagte ist nach den bindenden Feststellungen zuletzt im November 2002 wegen einer Sexualstraftat aufgefallen. Seither hat es keine vergleichbaren Delikte mehr gegeben. Warum gleichwohl trotz des Zeitablaufs zwischen der letzten Sexualstraftat und dem Urteil ein Therapiebedarf bestehen und dem Angeklagten dessen Nichterfüllung vorzuwerfen sein soll, erschließt sich nicht. Auch aus spezialpräventiven Gründen ist eine weitere Erhöhung der Einsatzstrafe zu der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe damit nicht begründbar.
Klare Worte des BGH. Ich bin gespannt, was sich das Landgericht Erfurt als Begründung der Gesamtstrafe in seinem dritten Urteil ausdenkt.

1 Kommentar:

  1. Bei diesem Gericht reichen wohl zusammengewachsene Augenbrauen und Strabismus.

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