25.06.2017
Zeugenrechte sollen durch StPO-Reform
gravierend eingeschränkt werden
Das geplante Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens beschneidet Zeugenrechte. Was ist geplant und wie kann ein Zeuge seine Rechte effektiv schützen?
Bislang gibt es für Zeugen keine
Verpflichtung für eine Zeugenaussage vor der Polizei zur Verfügung zu stehen.
Im Rahmen einer geplanten Reform der Strafprozessordnung soll dies geändert
werden.
1) Aktuelle Rechtslage
Nach den aktuell gültigen
Vorschriften der Strafprozessordnung (StPO) gibt es keine Verpflichtung für
Zeugen, einer Vorladung der Polizei Folge zu leisten und eine Zeugenaussage bei
der Polizei zu machen.
Nur bei einer Vorladung durch die
Staatsanwaltschaft nach § 161a Abs. 1 StPO oder bei einer gerichtlichen
Vorladung nach § 48 Abs. 1 StPO ist ein Zeuge verpflichtet, zu einem
Vernehmungstermin zur erscheinen.
Tatsächlich versucht die Staatsanwaltschaft
jedoch oft, den Zeugen zu einer Aussage bei der Polizei zu drängen, indem sie auf
die mögliche Verpflichtung zum Erscheinen bei der Staatsanwaltschaft hinweist.
2) Geplante Gesetzesänderungen
Durch das geplante Gesetz zur
effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens
(Bundestags-Drucksache 18/11277) sind zahlreiche gravierende Änderungen der
Strafprozessordnung geplant, die u.a. auch betreffend die Pflicht eines Zeugen
zum Erscheinen vor der Polizei.
Nach dem Gesetzentwurf soll in §
163 StPO, der die Aufgaben der Polizei im Ermittlungsverfahren regelt, Absatz 3
durch neue Absätze 3 bis 7 ersetzt werden. In diesen neuen Absätzen ist eine
Pflicht des Zeugen zum Erscheinen vor der Polizei festgeschrieben.
Die geplanten Änderungen im Einzelnen
In § 163 Abs. 3 StPO n.F. ist
geregelt, dass Zeugen auf Ladung vor Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft
zu erscheinen und zur Sache auszusagen haben, wenn der Ladung ein Auftrag der
Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.
Wer Ermittlungsperson der
Staatsanwaltschaft ist, wird durch § 152 GVG i. V. m. dem Landesrecht
definiert. Hierzu gehören vor allem Polizeibeamte, aber auch andere Behörden
sein, wie z.B. die Steuerfahndung.
Nach § 163 Abs. 4 StPO n.F.
entscheidet die Staatsanwaltschaft über die Zeugeneigenschaft und das Vorliegen
von Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechten, wenn Zweifel hierüber bestehen
oder im Laufe der Ermittlungen Zweifel auftreten.
Der Gesetzentwurf wird damit
begründet, dass es allein vom Verhalten des Zeugen abhänge, ob die
Staatsanwaltschaft tätig werden müsse, ohne dass es einen sachlichen Grund
dafür gebe, dass die Vernehmung von der Staatsanwaltschaft durchgeführt werde.
Die Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft binde unnötig Ressourcen und
verursache eine Verfahrensverzögerung. Die Staatsanwaltschaft solle daher von
sachlich nicht zwingenden Zeugenvernehmungen entlastet werden, behalte aber die
Sachleitungsbefugnis im Ermittlungsverfahren, weil die Erscheinens- und
Aussagepflicht des Zeugen vor der Polizei von einer vorherigen Entscheidung der
Staatsanwaltschaft abhänge.
§ 163 Abs. 4 StPO n. F. sieht vor,
dass über das Vorliegen der Zeugeneigenschaft oder das Vorliegen von Zeugnis-
oder Auskunftsverweigerungsrechten die Staatsanwaltschaft entscheide, sofern
insoweit Zweifel bestehen oder im Laufe der Vernehmung aufkommen.
Es ist aber fraglich, ob in der
Praxis tatsächlich eine polizeiliche Zeugenvernehmung unterbrochen werden wird,
um Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft zu halten, ob ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht
des Zeugen besteht oder nicht.
In § 52 StPO ist das
Zeugnisverweigerungsrecht naher Angehöriger geregelt. Wer Angehöriger ist kann
wohl noch recht einfach festgestellt werden.
Wesentlich schwieriger wird es sein
die Frage zu klären, ob ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO besteht.
Nach § 55 StPO darf der Zeuge die Auskunft auf solche Fragen verweigern, bei deren
wahrheitsgemäße Beantwortung er sich selbst oder einen nahen Angehörigen in
Gefahr bringen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu
werden.
Gerade bei umfangreichen und/oder
schwierigen Sachverhalten ist vor allem zu Beginn von Ermittlungen nicht sicher
fest, ob eine Person, die als Zeuge geladen ist, nicht tatsächlich doch auch als
Beschuldigter der Tat in Betracht kommt. Hier besteht die Gefahr, dass sich der
Zeuge selbst belastet, wenn er wahrheitsgemäße Angaben zur Sache macht und sich
damit selbst der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzt.
Zur Klärung der Frage, ob ein
Auskunftsverweigerungsrecht im Sinne des § 55 StPO besteht, sind zum Teil
komplexe juristische Fragen zu klären. Es erscheint zweifelhaft ob
Polizeibeamte immer ausreichend qualifiziert sind, um diese juristischen
Fragestellungen zur beantworten. Es besteht daher die Gefahr, dass die
vernehmenden Polizeibeamten in der konkreten Vernehmungssituation das Bestehen
eines Auskunftsverweigerungsrechtes verneinen und eben gerade nicht - wie vom
Gesetz gefordert - eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft herbeiführen.
Auch wenn in einer späteren
Gerichtsverhandlung festgestellt würde, dass die Aussage nicht zum Nachteil des
„Zeugen“ verwertet werden darf, so wären die mit einem Strafverfahren
verbundenen Belastungen nicht mehr zu vermeiden.
Auch erscheint es fraglich, ob
Polizeibeamte in der konkreten Vernehmungssituation immer bereit sein werden,
tatsächlich Rückfrage bei der Staatsanwaltschaft zu halten. Unklar ist auch wie
sich die Beamten verhalten werden, wenn der zuständige Staatsanwalt nicht
erreicht werden kann.
Wird der Polizeibeamte die
Vernehmung abbrechen, die Staatsanwaltschaft später informieren und einen neuen
Vernehmungstermin ansetzen?
Wahrscheinlicher ist aber, dass der
Vernehmungsbeamte versuchen wird, den Zeugen dazu zu bewegen, trotzdem eine
Aussage zu machen (auch wenn er sich ggf. selbst belastet)!
Was ist einem Zeugen zu raten?
Einem Zeugen, der zukünftig zu einer Vernehmung vor die Polizei geladen wird, ist
deshalb zu raten, vor der Vernehmung mit einem Anwalt Kontakt aufzunehmen, um
zu klären, ob er sich durch seine Aussage eventuell selbst belasten könnte und
ob ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht. Bei der Vernehmung selbst kann ein
Anwalt als Zeugenbeistand die Rechte des Zeugen wahren.
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