Dienstag, 9. Dezember 2014

Badisch, praktisch, gut ?
Das Fundstück der Woche - oder: das badische Aktenbändel

Obwohl nicht im Ländle geboren (Baden = eines von ehemals drei eigenständigen Ländern, welches nach dem 2. Weltkrieg zum neuen Bundesland Baden-Württemberg verschmolzen wurden), so hab ich es bis zu meinem Umzug nach Braunschweig doch sehr lieb gewonnen.
Doch nicht alles ist Gold was glänzt. Etwas besonderes bietet die badische Justiz. Wo andere Bundesländer Lochen und abheften, heißt es in badischen Amtsstuben noch lochen und einfädeln. Ich spreche vom badischen Aktenbändel. Mit ihm hat man auch mich in meiner Referendarszeit "gequält".

Hier ein Auszug aus einem Urteil des Ag Köln von 1970. Das Urteil ist zwar schon ein wenig betagt, die Geschichte könnte sich aber auch heute noch so zutragen:

Ein Anwalt beantragt Akteneinsicht beim AG Villingen. Das AG Villingen sendet die Akte an das AG Köln, wo der Verteidiger Akteneinsicht nimmt. Nur hat der Verteidiger keinen Einfädelgerät für das badische Aktenbändel. Daher wird die Akte lose mit beiliegendem Aktenbändel zurück nach Villingen versendet. Das dortige Amtsgericht Villingen sendet die Akte wieder retour zum AG Köln mit der Bitte, der Verteidiger möge die Akte so zurücksenden, wie er sie zur Akteneinsicht erhalten habe.

Hier die Antwort des AG Köln auf das "Rechtshilfeersuchen aus dem Badenerland: 
Diesem Ersuchen konnte nicht entsprochen werden. Zwar wird offenbar keine verbotene Handlung verlangt, die nach Paragraph 158 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz – D. Red.) zu einer Ablehnung berechtigen könnte. Diese Vorschrift setzt aber natürlich voraus, dass man das Ersuchen überhaupt versteht. Das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, weshalb die Akten nochmals dem Verteidiger übersandt werden sollen. Die badische Aktenordnung ist hier nicht bekannt. Es ist nur bekannt, dass sie recht altertümlich ist und eine ausgesprochene Sonderstellung innerhalb aller deutschen Aktenordnungen einnimmt, was allen Nichtbadenern immer wieder zusätzliche Last und Arbeit macht. Anscheinend verlangt die Villinger Geschäftsstelle, dass das Büro des Verteidigers, das offenbar die Akten zum Zwecke der Herstellung von Photokopien auseinandergenommen hat, dass es diese wieder in musterländlegültiger Weise zusammenknotet. Dabei sollte sie doch sehr anerkennen, dass dieses Anwaltsbüro sich überhaupt die Mühe gemacht hat, einen Zwirnsfaden durch 70 kleine Löcher zu ziehen, was sicherlich eine halbe Stunde Arbeit in Anspruch genommen hat. Das unterzeichnete Gericht pflegt das jedenfalls nicht zu tun ... Solange die Badener sich nicht entschließen, eine zeitgemäße Art des Aktenheftens einzuführen, wie sie ansonsten überall im Gebrauch ist, kann eine badische Geschäftsstelle nicht verlangen, dass ein nordrheinwestfälisches Gericht einen Rechtsanwalt anhält, sich oder sein Büro einem Lehrgang über badische Aktenheftung zu unterziehen. Wir haben hier wirklich größere Sorgen. Es entspricht auch nicht dem Art. 3 (1) GG, wenn die badischen Gerichte berechtigt sein sollen, anderen Leuten mehr Arbeit zu machen als alle anderen.“ (AG Köln, Beschl. v. 8. 1. 1970 – 72 AR 1217/69)"
Hier gibt es weitere Infos und Bilder zum badischen Aktenbändel.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen